Ufo Akten und Freiherren vor Gericht - ein schlechter Tag für das IFG

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Mittwoch, der 13. November 2013, war ein wichtiger Tag für alle, die sich mit dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) beschäftigen. Am Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg wurden zwei Fälle verhandelt, die vor allem über die Anwendbarkeit des IFG auf den Bundestag entscheiden.

Im ersten Verfahren ging es um die berühmt-berüchtigte „UFO-Akte“. Vor einigen Jahren wurde öffentlich, dass eine Bundestagsabgeordnete den wissenschaftlichen Dienst des Bundestages beauftragte hatte, ein Gutachten mit dem Titel „Die Suche nach außerirdischem Leben und die Umsetzung der VN-Resolution A/33/426 zur Beobachtung unidentifizierter Flugobjekte und extraterrestrischen Lebensformen“ anzufertigen. Auch ein Bürger interessierte sich für die Sichtung von UFOs und stellte gemäß IFG Antrag auf Zugang zum Dokument. Der Bundestag verweigerte die Herausgabe, woraufhin der Bürger Widerspruch einlegte und vor Gericht zog. In der ersten Instanz entschied das Verwaltungsgericht Berlin im Sinne der Transparenz und verpflichtete den Bundestag, sein Wissen über Außerirdische und ihre Fortbewegungsmittel zugänglich zu machen. Dagegen wurde Berufung eingelegt, die am 13.11.2013 verhandelt wurde.


Das Grundgesetz garantiert die Freiheit der Abgeordneten - schränkt das IFG diese ein?


Im Verfahren wurde auf verschiedene Arten argumentiert, warum die Wissenschaftlichen Dienste ihre umfangreiche Expertise nicht mit der Öffentlichkeit teilen müssen.

Ein Argument ist, dass die Wissenschaftlichen Dienste aufgrund ihrer Tätigkeit nicht unter das IFG fallen würden, das nach Gesetzesgenese und Ausrichtung auf die Verwaltung gemünzt sei. Zu selbiger gehören die Wissenschaftlichen Dienste zwar laut Organigramm des Bundestages, aber, da ihre Tätigkeit eine Ausarbeitung für den jeweiligen Abgeordneten sei, müssten sie nach Auffassung des Bundestages eher zum parlamentarischen Betrieb gezählt werden.Durch die Freigabe der Gutachten sei die grundgesetzlich gesicherte Freiheit der Abgeordneten eingeschränkt, da diese sich beim Öffentlichmachen der Gutachten für ihr politisches Handeln oder auch nicht-Handeln rechtfertigen müssten. Das gipfelte in der Aussage des Rechtsanwaltes Gernot Lehr „Kenn ich nicht die Frage, wenn ich die Antwort kenne?“. (Leser des Buches “Per Anhalter durch die Galaxy” werden Herrn Lehr wohl mit Anrufen bombardieren.)


Das Argument ist natürlich absurd, weil nach Selbstaussage die Wissenschaftlichen Dienste „parteipolitisch neutral und sachlich objektiv“ arbeiten und die Gutachten mit wissenschaftlichem Anspruch erstellt werden. Andere Abgeordnete und „interessierte Dritte“ (Ministerien, Zeitungen, etc.) können selbige zudem anfragen und bekommen sie ohne Nennung des Auftraggebers und der Ausgangsfrage. Zusätzlich können Abgeordnete „vertrauliche“ Gutachten in Auftrag geben, die schon jetzt niemandem zur Verfügung gestellt werden. Das alles ist im „Leitfaden zur Unterabteilung Wissenschaftlicher Dienst“ geregelt, der bisher nicht öffentlich ist und spontan auf FragdenStaat.de angefragt wurde.

Ein weiteres Argument der Wissenschaftlichen Dienste, das gegen die Weitergabe der Dokumente an einen Bürger sprechen würde, sei das Urheberrecht. Dabei wurde konstruiert, dass eine Einsichtnahme das Erstveröffentlichungsrechts der Bundestagsverwaltung verletzen würde. Als sich vor Gericht herauskristallisierte, dass dieses Recht höchstens beim Verfasser läge, wurde entgegnet, dass bereits jetzt bei jeder Weitergabe an Abgeordnete und „interessierte Dritte“ die Zustimmung der Autoren zur Weitergabe eingeholt würde.


Guttenberg missbrauchte die Wissenschaftlichen Dienste


Dieselben Argumente wurden auch im zweiten IFG-Verfahren ins Felde geführt. Dieses fand im Anschluss statt und behandelte per IFG angefragte Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste und Übersetzungen des Übersetzungsdienstes des Bundestags, die der ehemalige Abgeordnete Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) anfertigen ließ. Diese fanden später Eingang in seine Doktorarbeit. Durch eine Einsicht in die Dokumente könnte nachvollzogen werden, wie viele Textabschnitte in die Doktorarbeit kopiert wurden. Dies prüfte auch eine Kommission der Universität Bayreuth, der der Bundestag die Dokumente freiwillig zur Verfügung stellte. Da dadurch das Argument des Rechts der „Erstveröffentlichung“ nichtig würde, versuchte der Rechtsanwalt des Klägers diesen Punkt besonders auszubauen. Das Verfahren fand schließlich seinen Höhepunkt, als er den Antrag stellte, Guttenberg als Zeugen vernehmen zu lassen, um zu klären, ob dieser die Arbeit der Wissenschaftlichen Dienste „missbraucht“ hätte. Nach einer längeren Beratung der fünf Richter wiesen sie den Antrag ab, Guttenberg vorzuladen, stellten aber den Missbrauch durch Guttenberg fest.


Abgeordnete brauchen einen Informationsvorsprung gegenüber dem Bürger


All das Geplänkel, plus die juristischen Winkelzüge der hochkarätigen Anwaltschaft ließen den wichtigsten Punkt des Verfahrens etwas in den Hintergrund treten: Wenn einer Person das Recht auf Einsicht qua IFG gewährt wird, dann kann es auch von unzähligen weiteren Menschen eingefordert werden. Dieser Umstand ist der Grund für die großen Bauchschmerzen, die der Bundestag bei der Freigabe von Dokumenten an Einzelpersonen hat.

Damit wird deutlich, dass hier noch ein altes Staatsverständnis vorherrscht, das die Veröffentlichung von Papieren einer staatlichen Bürokratie nur einer exklusiven Gruppe zugänglich machen will. In den Worten von Prof. Rossi:

„Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages wie auch diejenigen anderer Parlamente  können nicht nur, sondern sie dürfen und müssen zum Teil    sogar einen Informationsvorsprung gegenüber den Bürgern haben, und es ist ganz allein an ihnen, ob und inwieweit sie es bei diesem Informationsvorsprung belassen.“ (Rossi 2012)


Dass sich die Zeiten geändert haben und gerade das Informationsfreiheitsgesetz die Luft der Transparenz und Öffentlichkeit atmet, ist vielen noch nicht klar.

So auch nicht den Richtern des Oberverwaltungsgerichts, die in den Urteilen zu beiden Verfahren nicht dem Richtspruch der ersten Instanz folgten und den Bundestag in seiner Geheimniskrämerei bestärkten. (Link zum Urteil) Doch das letzte Wort ist noch nicht gesprochen. Die Kläger ließen verlauten, nach Leipzig zum Bundesverwaltungsgericht ziehen zu wollen.

Bis dahin könnten aber auch die Bundestagsabgeordneten per Gesetz beschließen, dass die interessierte Öffentlichkeit in ihren Wissensspeicher Einblick nehmen darf.

Quelle:

Rossi, Matthias (2012): Rechtsgutachten zur Anwendung des IFG auf die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages. Im Auftrag der Bundesrepublik Deutschland erstellt. Dez. 2012

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