Entwurf für Informationsfreiheitsgesetz in NiedersachsenLandesregierung schwingt die Gebührenkeule

Fast zwanzig Jahre ist es her, seit Brandenburg als erstes von nunmehr zwölf Bundesländern 1998 ein Informationsfreiheitsgesetz (IFG) einführte. Mit einiger Verspätung zieht jetzt auch Niedersachsen nach: Die rot-grüne Landesregierung hat gestern einem Entwurf für ein IFG (pdf) zugestimmt.

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Das Gesetz soll es ermöglichen, Daten und Dokumente von Behörden des Landes anzufragen. Staatliche Stellen sind verpflichtet, den Anfragen nachzukommen, sofern keine Ausnahmetatbestände entgegensprechen.

Der Gesetzeszweck einer transparenteren Verwaltung droht allerdings mit der geplanten Gebührenordnung des Entwurfs zunichte gemacht zu werden. Die sieht nämlich vor, dass Behörden ihre volle Arbeitszeit für die Bearbeitung von Anträgen in Rechnung stellen dürfen. Je nach Anfrage und Besoldungsgruppe der Bearbeitenden bedeutet das, das schon recht einfache Anfragen für Antragssteller hunderte Euro kosten können.

Auch Ablehnungen werden teuer

Selbst Ablehnungsbescheide der Verwaltung sollen nach dem Entwurf Gebühren nach sich ziehen. Das würde effektiv gegenüber der Nichtexistenz des Gesetzes eine Verschlechterung bedeuten: Wurden bisher Anfragen an Behörden kurz und knapp abschlägig beschieden, könnten Behörden künftig womöglich seitenlange Ablehnungsbescheide schreiben. Die bringen dann zwar keine neuen Erkenntnisse, werden aber teuer.

Die meisten Bundesländer sehen eine Begrenzung von Gebühren in Höhe von 500 Euro für besonders umfangreiche Anfragen vor. Niedersachsen würde sich hingegen in Gesellschaft mit Baden-Württemberg wiederfinden, das eine ähnliche Regelung vorsieht. Das dortige IFG ist das bürgerunfreundlichste der Republik. International ist eine Berechnung von Gebühren für Anfragen ohnehin unüblich - in den meisten Ländern wird die Beantwortung von Bürgeranfragen als eine der Kernaufgaben der Verwaltung gesehen, die nicht in Rechnung gestellt werden darf.

Anders als angekündigt doch kein richtiges Transparenzgesetz

Ursprünglich hatte die niedersächsische Landesregierung im Koalitionsvertrag eine Regelung vereinbart, nach der zentrale Dokumente wie Verträge der öffentlichen Hand, Pläne und Verwaltungsvorschriften aktiv von öffentlichen Stellen online veröffentlicht werden müssen. Dazu kam es letztlich aber nicht: Da es in Niedersachsen noch keine weit verbreitete elektronische Aktenführung gebe, sei eine solche Regelung derzeit nicht praktikabel, heißt es aus der Landesregierung. Stattdessen sieht der Entwurf vor, dass die Regierung beizeiten ein Online-Informationsregister per Rechtsverordnung schaffen kann. Ob dort dann aber tatsächlich auch Verträge publiziert werden, bleibt abzuwarten.

Die Kommunen des Landes werden von der Veröfentlichungspflicht jedenfalls nicht erfasst werden. Die kommunalen Spitzenverbände haben sich jahrelang sowohl gegen eine aktive Veröffentlichungspflicht wie auch das IFG an sich lautstark gewehrt. Zur Begründung führten sie an, dass die bestehende Transparenz auf kommunaler Ebene ausreichend sei.

Verfassungsschutz muss keine Auskunft geben, Volkswagen bleibt geschützt

Aber nicht nur die Kommunen, auch viele Verwaltungsteile konnten sich erfolgreich gegen mehr Transparenz sperren. So sind etwa große Teile des Landtags selbst, der Hochschulen und Schulen, des Landesrechnungshofs, der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sowie der Gerichte und Finanzbehörden vom Gesetz ausgenommen. Auf den Landesverfassungsschutz wird das Gesetz, wie auch in Bund und den meisten anderen Bundesländern, überhaupt nicht anwendbar sein.

Auch sieht der Entwurf keine Abwägung für viele Ausnahmetatbestände vor. Enthalten Dokumente etwa Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, dürfen diese nicht offenbart werden - selbst wenn das öffentliche Interesse an ihnen höher wäre als das schutzwürdige Interesse von Unternehmen. Dies wäre etwa bei vielen Dokumenten der Fall, die im Zusammenhang mit dem in Niedersachsen beheimateten Konzern Volkswagen stehen. Das Unternehmen, an dem das Land Niedersachsen weiterhin beteiligt ist, hat sich im Zusammenhang mit seinem Abgasbetrug bisher nicht als Transparenzverfechter hervorgetan. Das niedersächsische IFG wird daran auch nichts ändern.

Fehlen bald noch drei: Hessen, Sachsen und Bayern

Tritt das IFG in Niedersachsen wie vorgesehen im Herbst in Kraft, bringt das aber zumindest drei weitere Bundesländer in Zugzwang: Behörden in Hessen, Sachsen und Bayern haben nach wie vor kein eigenes IFG. Die schwarz-grüne Regierung in Hessen prüft seit Jahren, ob sie ein IFG einführen soll. Dazu hat das Land bei allen anderen Bundesländern nach ihren Erfahrungen mit der Informationsfreiheit gefragt. Wie das Hessische Innenministerium gegenüber netzpolitik.org sagte, stehe die Prüfung "der sehr umfangreichen Materialsammlung" aus anderen Bundesländern zum Thema derzeit noch aus.

Sachsen arbeitet derzeit, obwohl im Koalitionsvertrag festgeschrieben, an keinem Informationsfreiheitsgesetz vor. Bayern plant keines. Laut CSU-Innenminister Herrmann bestehe durch die Herausgabe von zu vielen Akten die Gefahr, dass "der Bürger überfordert" werden könnte.

Foto: kaʁstnDisk/Cat, Pilsumer Leuchtturm 2010-10 CN-I, CC BY-SA 3.0 DE

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