Direkter Draht ins KanzleramtDer Lobbyismus von RWE

„Ich bin froh, dass wir uns bei der Kernenergie so einig sind.” RWE-Vorstandsvorsitzender Großmann an Kanzleramtschef Pofalla 2011 

-
Jürgen Großmann, Ronald Pofalla –

Pofalla: CDU/slomifoto.de, Ronald Pofalla 2007, CC BY-SA 3.0 DE

Der ehemalige Vorstandsvorsitzenden der RWE Jürgen Großmann pflegte sehr gute Kontakte zum ehemaligen Chef des Bundeskanzleramts Ronald Pofalla. Das zeigen Briefwechsel der beiden Männer, die nach einer Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) auf FragDenStaat.de veröffentlicht wurden.

Die Beziehung der beiden zueinander stand kürzlich im Fokus von Recherchen des Magazins MONITOR über die Schadensersatzklagen gegen das Atom-Moratorium aus dem Jahr 2011. Demnach verhalf Pofalla RWE mit einem Schreiben zu einer Grundlage für Schadensersatzklagen an den deutschen Staat in Höhe von 882 Millionen Euro.

Das Ausmaß des Lobbyismus durch RWE direkt im Bundeskanzleramt ist beachtlich. So sendete Jürgen Großmann an Roland Pofalla zu seiner Ernennung als Chef des Bundeskanzleramts einen “politischen Forderungskatalog” mit über 60 Vorhaben. Elementare Interessen des RWE-Konzerns, wie beispielsweise die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke, werden in diesem Dokument jedoch nicht gefordert. Dieses Thema scheint bei RWE Chefsache zu sein, weshalb Jürgen Großmann den Kanzleramtsminister auf sein Jagdhaus in Winnekendonk einlud, um eine “von Sachlichkeit geprägte” Debatte über Kernenergie zu führen. Handschriftliche Notizen lassen ein Treffen am 13.01.2010 im Büro des Kanzleramtsministers erkennen.

Einladung ins Jagdhaus des Lobbyisten

Hierauf bezieht sich Jürgen Großmann in seinem nachfolgenden Brief: “Ich bin froh, dass wir uns bei der Kernenergie so einig sind. Ein neues Atomgesetz würde ja voraussichtlich erst Ende 2011 in Kraft treten – natürlich wäre es schön, wenn es früher kommt.” Der Kanzleramtschef hat offenbar ein offenes Ohr für Großmann. Neben die Argumentation zur angeblichen Versorgungslücke, die durch das Abschalten von Atomkraftwerken entstünde, steht in Handschrift: “Stimmt das?”

Als zwei Monate später Kritik an einer Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke die öffentliche Debatte dominiert, hat sich Jürgen Großmann in einem Brief an Roland Pofalla “nochmals gezielt Gedanken gemacht, welche Fakten die Diskussion zusätzlich befruchten könnten” und übersendet eine “Unterstützung in der Argumentation” in Form eines Argumentationspapiers mit dem Hinweis, dass er dankbar für eine Streuung der öffentlichen Debatte sei.

Vertrauensverhältnis aufgebaut

Dass das Lobbying von RWE auch Außenpolitik betrifft, zeigt ein Brief Großmanns zu einer Kooperation mit einer Ölagentur aus Aserbaidschan. Das Schreiben leitet der RWE-Vorsitzende ein mit den Worten: “da wir uns mittlerweile ganz gut kennen und - wie ich glaube - auch ein Vertrauensverhältnis aufgebaut haben, erlauben Sie mir, Sie kurz auf unser geplantes MoU mit Aserbaidschan anzusprechen.” Darin wünscht Großmann mehr gezielte Unterstützung der Kanzlerin für die Kooperation, um “ein Zeichen nach außen zu setzen, und sei es nur für ein bis zwei Minuten oder für ein Foto.”

Schließlich beschwerte sich Großmann bei Pofalla auch über angeblich tendenziöse Berichterstattung in den Medien über RWE, die seinen Konzern in ein schlechtes Licht rücke. Im Kanzleramt fiel RWE damit aber nicht in Ungnade - ganz im Gegenteil.

Anfragen nach dem IFG sind eine bisher erst selten genutzte Möglichkeit, um den Einfluss von Lobbyisten auf Politik zu beobachten. Dabei lassen sich unter anderem Listen von Treffen mit Lobbyisten und Korrespondenzen anfragen.

zu den Dokumenten

Für eine informierte Zivilgesellschaft spenden

Unsere Recherchen, Klagen und Kampagnen sind essentiell, um unsere Politik und Verwaltung transparenter zu machen! So können wir unsere Demokratie stärken. Daraus schlagen wir kein Profit. Im Gegenteil: Als gemeinnütziges Projekt sind wir auf Spenden angewiesen.

Bitte unterstützen Sie unsere Arbeit!

Jetzt spenden!

Berlin Halb so viele IFG-Anfragen wie im Jahr zuvor

Die Berliner Bevölkerung hat im vergangenen Jahr nur halb so viele Anträge nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) an die Senatsverwaltungen gestellt wie 2013. Das geht aus einer Antwort des Berliner Senats auf eine Schriftliche Anfrage des Piraten-Abgeordneten Simon Weiß hervor.